Pressemitteilung: Machtmissbräuchlicher Geschichts-Dozent gekündigt
27 Jahre nach dem ersten datierten Übergriff, 8 Monate nach Veröffentlichung und Berichterstattung der Vorwürfe und 2 Kündigungen später ist es nun endgültig: Der Geschichtsdozent Andreas Kohring wird von der Humboldt-Universität nicht weiter beschäftigt. Mit dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Berlin am 09.01.2024 ist er zum Juni 2024 gekündigt. Der Rechtsstreit, der sich seit August 2023 zieht, ist damit beendet.
Das feiern wir als großen Sieg für die unzähligen Menschen, die von Kohring diskriminiert und betroffen gemacht wurden. Wir möchten uns bei allen Betroffenen bedanken, die sich bei uns gemeldet haben: Ohne euch wäre ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen. Euer Mut und eure Entschlossenheit waren die Grundlage für unsere Arbeit. Es ist natürlich auch klar, dass dieses Thema damit nicht abgeschlossen ist: Solltet ihr weiterhin Unterstützung im Umgang mit Diskriminierungserfahrungen brauchen, stehen wir Euch mit verschiedenen Beratungsangeboten weiterhin tatkräftig zur Seite.*
Wir sind dankbar für die richtungsweisende Entscheidung, die mit dieser Kündigung getroffen wurde. Rieke vom Referat für Politisches Mandat und Datenschutz erklärte hierzu: "Es wird dadurch deutlich, dass es an der HU keinen Freifahrtsschein für Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt gibt. Wer sich übergriffig verhält, der*die wird gekündigt. Wir als Referent*innenRat sehen uns hier bestärkt in unserer Rolle, auf solche Entscheidungen hinzuwirken und Betroffene parteiisch zu beraten und sie zu unterstützen."
Trotz des Erfolges kritisieren wir, dass die Kündigung erst zum Juni 2024 wirksam wird: Kohring ist zwar freigestellt, wird aber weiterhin bezahlt - der juristische Vergleich, der nun anstelle eines Urteils ergangen ist, ist somit nur ein Kompromiss. Einerseits stellt dies für viele Betroffene, mit denen wir Kontakt hatten, eine Erleichterung dar - sie wurden vor einer retraumatisierenden Aussage vor Gericht bewahrt. Andererseits kamen sie ein weiteres Mal nicht zu Gehör, was die Möglichkeit eines Abschlusses mit den gemachten Erfahrungen für manche erschwert. Die fehlende Anerkennung ihrer Erlebnisse durch das Gericht und damit verbunden auch das Fehlen eines gerichtlich festgehaltenen Kündigungsgrundes halten wir für problematisch.
Gleichzeitig hat das ausbleibende Urteil für uns eine fatale Aussagekraft, denn Kompromisse sind an dieser Stelle das falsche Zeichen. Dieser Fall - und das werden wir nicht müde zu betonen - ist eben kein Einzelfall. Universitäten sind von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt nicht frei. Wir wissen von vielen Betroffenen auch über das Geschichtsinstitut hinaus, die Dunkelziffer bleibt hoch. Gesellschaftliche Diskriminierungsformen, wie in diesem Fall Sexismus und sexualisierte Gewalt, treten auch in Universitäten auf und werden durch die herausgehobenen Machtverhältnisse noch verstärkt. Der Erfolg in Studium und Wissenschaft ist abhängig von Professor*innen und Dozierenden, was die Aufarbeitung von Übergriffen strukturell erschwert.
Wir finden es auch deshalb wichtig, dass weiterhin über machtmissbräuchliche Kultur an Universitäten gesprochen und berichtet wird. Referentin Hanna von Referat für Queer_Feminismus betont: "Diese Kündigung verstehen wir als Etappensieg, aber es gibt noch einiges zu tun. Betroffene von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt können sich jederzeit bei uns melden. Täter*innen müssen Konsequenzen erfahren - darauf wirken wir gemeinsam mit Betroffenen hin."
Wir werden über unsere Kanäle auch in naher Zukunft die Ergebnisse einer HU-internen Umfrage zu diesem Thema veröffentlichen. Die Humboldt-Universität ist nun um einen übergriffigen Dozenten ärmer. Universitäre Strukturen bilden dennoch ein Einfallstor für Machtmissbrauch und die Humboldt-Universität ist noch lange kein Ort, an dem sich alle Studierenden sicher fühlen können. Den Kampf gegen Machtmissbrauch und für eine Uni ohne Täter werden wir nun entschlossen weiterführen.
* Kontaktmöglichkeit zum Referat für Queer_Feminismus: [email protected]