Pressemitteilung der Studierendengruppe im Konzil: Abstimmung über Viertelparität scheitert an einer Stimme
Am heutigen Dienstag wurde der Entwurf über eine neue Verfassung (Grundordnung) der HU in zweiter Lesung beraten. Nach der Abstimmung über die Viertelparität kam es zu verbalen Angriffen auf ein Mitglied der Statusgruppe der Studierenden.
"Bei der Abstimmung heute im Konzil hat nur eine Stimme für die Einführung einer Viertelparität im Konzil gefehlt. Die Viertelparität scheint also an der bestehenden professoralen Mehrheit gescheitert zu sein. Zumindest vorerst – denn zur dritten und letzten Lesung im Juli können wir noch Änderungsanträge einreichen und behalten uns dies ausdrücklich vor", erklärt Bengt Rüstemeier, Mitglied der Verfassungskommission.
Die längere Debatte im Konzil zeigte vor allem eins: einen grassierenden Paternalismus der Professor*innenschaft gegenüber den anderen Statusgruppen. Es schien sich die Meinung zu halten, dass die Professor*innen stets automatisch die Interessen der anderen Statusgruppen mitdenken würden.
Dass die nicht-professoralen Statusgruppen ihre Interessen am Besten selbst vertreten können, schien zu großen Teilen nicht der Wahrnehmung der Hochschullehrer*innen zu entsprechen.
Ali Mehrens, Statusgruppensprecher der Studierenden im Konzil, kritisiert: "Inhaltlich konnte die Professor*innenschaft den Befürworter*innen einer viertelparitätischen Gremienbesetzung wenig entgegensetzen. Stattdessen wurden apokalyptische Szenarien einer unregierbaren Universität entworfen, die zu einer Abschaffung jeglicher akademischer Selbstverwaltung oder einer lähmenden Politisierung der Universität führen würden. Die Professor*innenschaft täte gut daran, sich zu erinnern, dass Demokratie, gerade in Selbstverwaltungskörperschaften, keine 'interessante Frage zum Reflektieren' oder ein 'Vorspielen repräsentativer Demokratie' ist, sondern ein fundamentaler und funktionaler Zustand, der selbstbestimmt durch die Mitglieder der Universität geschaffen werden muss."
"Dazu waren die Professor*innen der Humboldt-Universität heute nicht bereit. Sie bekennen sich damit nicht nur zu einem schlichten 'weiter so', sondern erteilen eine klare Absage an universitäre Mitbestimmung, eine Absage an ein selbstbestimmtes Studium, eine Absage an die Abschaffung ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. Als Fazit lässt sich ziehen, dass die heutige Abstimmung ein klares Misstrauensvotum gegen die nicht-professoralen Statusgruppen war", kommentiert Julia Bersch aus dem Konzilsvorstand.
Nachdem die Viertelparität sowohl in der Abstimmung zum Akademischen Senat, als auch zum Konzil (mit einer Stimme) an der professoralen Mehrheit gescheitert war, zeigte sich sehr deutlich das Ergebnis eines professoralen Machtanspruchs, der sich in dieser Gremienbesetzung fortschreibt.
"Kaum fünf Minuten nach der Abstimmung, mitten in der Debatte zum Promovierendenzentrum, wurde ein Mitglied unserer Statusgruppe von einem Professor verbal angegriffen, nachdem von unserer Seite konstruktive Kritik angebracht worden war. Den Wortlaut empfand ich als genauso laut, wie persönlich. Schließlich ist der Professor aufgestanden, um die Sitzung zu verlassen. Dieses Auftreten haben wir als bedrohlich empfunden.", sagt Benjamin Kley aus der Statusgruppe der Studierenden im Konzil.
Nach dieser Drohgebärde und dem folgenden Versagen des Konzilsvorsitzes, auf die geschehene Grenzüberschreitung und den Machtmissbrauch zu reagieren, haben wir, die Statusgruppe der Studierenden, die Sitzung verlassen.
"Dass dieser verbale Angriff gerade gegenüber einem weiblichen Mitglied des Konzils geschehen ist, ohne dass von der Sitzungsleitung eingegriffen wurde, ist kein Zufall. Selbst wenn wir uns als Universität nicht darüber einig werden konnten, gleichberechtigt an Entscheidungsprozessen mitwirken zu wollen, so sollte das Einhalten eines Mindestmaßes an respektvollem Umgang in Gremien doch allen am Herzen liegen", schließt Niclas Rother, studentisches Mitglied des Konzils, ab.
Ansprechperson: Ali Mehrens
E-Mail: [email protected] / Telefonnr. 030 2093-46662
Hintergrundinformationen Viertelparität:
Als Viertelparität wird eine Gremienbesetzung bezeichnet, bei der jeder der vier Mitgliedergruppen, also Professor*innen, akademischen Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter*innen in Technik, Service und Verwaltung und Studierenden, eine gleiche Anzahl an Sitzen und Stimmen in dem Gremium zugewiesen wird. Die Verfassungskommission wurde durch Konzilsbeschluss im November 2021 nach der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes eingesetzt. Die Verfassungskommission hat dem Konzil Vorschläge für die Einführung einer Viertelparität im Konzil und - unter bestimmten Voraussetzungen - im Akademischen Senat vorgelegt. In der Verfassungskommission hat dabei insbesondere über die Einführung einer Viertelparität im Konzil große Einigkeit bestanden. Die Viertelparitätsmodelle, die die Verfassungskommission vorgeschlagen hat, haben sich dabei streng am Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 orientiert: Dort, wo Forschung und Lehre unmittelbar betroffen sind, entscheidet der Akademische Senat mit Hochschullehrer*innenmehrheit. In allen anderen Fragen besteht kein Grund, vom Grundsatz der Viertelparität abzuweichen - das ist schon aus demokratischen Gründen geboten.